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Technik. Theorien. Unglaublichkeiten. Technik: Einen neuen Motor einfahren

Da sich KoflAIR intensiv mit der Behandlung eines neuen Motors beschäftigt hat, wollen in diesem Artikel seine Conclusios mitgeteilt werden. Der größte Teil der hier dargebotenen Theorie stammt von MotoMan's amerikanischer Tuningpage Mototuneusa.com. In diesem Artikel wird mit einigen Mythen des Einfahrens aufgeräumt. Es ist relativ erstaunlich, was hier zu lesen steht, andererseits jedoch sehr logisch, und empirisch belegt.

Einen neuen Motor einfahren

Der neue Motor sollte erst dann zum ersten Mal gestartet werden, wenn der Fahrer bereit ist, das Gerät anzuwärmen, um im Anschluss den Einfahrvorgang in einem Zug durchzuziehen. Keine Angst, dauert nicht lang. Nach 70km sollte der Motor praktisch fertig eingefahren sein!

Zuvor sollte jedoch sichergestellt sein, dass in den Motor ein simples mineralisches Öl eingefüllt ist, und kein vollsynthetisches Superöl. Das Öl darf während des Einfahrvorgangs nämlich nicht perfekt schmieren, es will ja ein wenig gehobelt werden! Ein Billig Öl 10W 40 auf Mineralbasisfür 5 EUR pro Liter sollte reichen, vor allem wird dieses Öl nicht lange im Motor verbleiben...

Motor warmfahren

Das Wichtigste gleich zu Beginn: Ein Motor sollte IMMER warmgefahren werden, bevor er belastet wird. Die meisten bleibenden Schäden entstehen, wenn ein Motor noch zu kalt ist. Da stimmen die Maße im Motor noch nicht, und das Öl schmiert noch nicht gscheit weil's noch kalt ist. Warmfahren sollte am besten mit niedrigsten Drehzahlen und wenig Gas erfolgen, dabei kann nicht viel passieren. Vorteilhaft ists dabei, wenn nicht gerade polarähnliche Temperaturen herrschen und der Anwärmvorgang rasch erfolgen kann.

Das Lastwechselverfahren

Das grundlegende Prinzip beim von MotoMan empfohlenen Einfahrvorgang ist es, Last auf die Kolben zu bringen, damit die noch ganz frischen Kolbenringe, die im neuen Motor erst Teile der Zylinderwand satt berühren, durch den Druck der Verbrennung an die Zylinderwände gepresst werden, und sich dabei passgenau mit der Zylinderwand verschleifen. Dazu muss im Brennraum Last hergestellt werden. Die L-förmig kontruierten Kolbenringe werden durch den Druck förmlich an die Zylinderwand gepresst, und korrekt verschliffen.

Nach den Lastphasen soll jeweils ein Ausrollvorgang erfolgen, bei dem der Gasgriff geschlossen wird, der Motor jedoch eingekuppelt bleibt. Durch diesen Motorbremsvorgang (ohne dass zusätzliche Bremsen benutzt werden!), entsteht ein Unterdruck im Brennraum. Bei der Abwärtsbewegung des Kolbens wird dabei jedesmal Öl aus dem Kurbelgehäuse entlang der Zylinderwand hochgesaugt. Dieses Öl schmiert nach, und das Öl "schwemmt" auch die mikrofeinen Metallpartikel in den Zylinder hoch, die beim einschleifen entstehen. Von hier aus werden sie in Folge mit den Abgasen ausgepufft.

Einfahrphase 1

In der ersten Phase, die etwa 10 bis 15km dauert, sollte der Motor in oben beschriebenen Lastwechselverfahren mit 60% Gas durch die Gänge 2, 3, 4 beschleunigt werden, und die Motordrehzahl soll sich dabei im Bereich 40-70% der Nenndrehzahl bewegen. Nach erreichen der 70% im vierten Gang den Gasgriff schließen und den Motor abbremsen lassen. Dieser Abbremsvorgang ist wichtig und gehört zum Einfahrvorgang. Auch das leichte Auskühlen der Kolbenringe in dieser Phase ist Teil des Programms!

Prozentrechnung: Beginnt beim Motor der rote Bereich zB bei 11.000 U/min, wäre dieser laut 40%-70% Anweisung im Bereich 4.400 - 7.700 U/min zu bewegen. Um die Gasgriffstellung 60% zu kennen, sollte diese Position schon vor dem Start am Griff markiert werden! Wink

Einfahrphase 2

Wir befinden uns nach Abschluss der Phase 1 in etwa bei Kilometerstand 25. Bis Kilometer 70 wird nun mit 80% Gas operiert, und die Drehzahl sollte sich dabei im freudigen Bereich zwischen 30% und 80% der Nenndrehzahl bewegen! Sollten 80% Drehzahl im Vierten Gang jenseits aller Limits sein, können auch die Gänge 1-3 statt 2-4 verwendet werden.

Rechnung: 30% Drehzahl bei einem Motor, dessen Nenndrehzahl nun 600er mäßige 14.000 U/min betrüge, wären 4.200 U/min. 80% von 14.000 sind satte 11.200 U/min.

Also. Zum Beispiel. Zweiter Gang, 30% Drehzahl, also 4200 U/min. 80% Gas geben, bei 7000 in den 3. Gang schalten, und bei 9000 auf den Vierten Gang. Bei Erreichen von 11.200 U/min komplett vom Gas weg und das Motorrad ausrollen lassen, runter bis 3000 U/min. Zweimal zurückschalten, 4200 U/min einpendeln, und erneut hochbeschleunigen.

In den beiden unteren Gängen darf gegen Ende dieser Phase ruhig auch kurzes Vollgas gegeben werden, aber wirklich nur kurz! Wichtig ist es, die Ausrollphasen korrekt einzuhalten, damit sich die Kolbenringe von der Last wieder erholen können, und frisches Öl in die Honriefen der Zylinderwände gesaugt werden kann!

Ölwechsel nach 70km

Jetzt, bei Kilometerstand ca. 70, sollte das noch heiße oder zumindest deutlich warme Öl komplett inklusive Filter gewechselt werden. In diesem Öl sind nun aufgrund der "Hobelarbeiten" im Motor massig Metallpartikel enthalten, die sich nun eigentlich in den Ölleitungen des Motors festsetzen würden. Die gröberen Metallspäne wurden nämlich in den Zahnrädern des Getriebes zu feinen Metallpartikeln zerpresst, die nun für einen wahren Metalliceffekt im Öl sorgen.

Diese Schwebeteilchen haben das Bedürfnis, sich an die Wände der Ölleitungen anzulegen, von wo sie nach erkalten des Öls nicht mehr weggeschwemmt werden können, sie bleiben für die gesamte Lebensdauer des Motors dort haften. Damit verringern sie den Durchmesser der Ölleitung, sorgen in Folge für erhöhten Pumpaufwand, und verringern die Schmierung, aber auch die Leistung des Motors, wenngleich nur geringfügig. Aber es geht uns doch ums letzte PS, nicht wahr? Wink Damit sich die Metallpartikel daher nicht festsetzen können, lassen wir umgehend sämtliches Öl des Motors ab und entfernen auch den Ölfilter. Die zweite Ölfüllung sollte auch wieder aus einem mineralischen Öl bestehen. Denn auch in den nächsten 200km wird noch deutlich gehobelt!

Einfahrphase 3

Bis Kilometerstand 250 sollte der Motor nun weiterhin jeweils nach einer sorgfältigen Anwärmphase, im oben beschriebenen Lastwechselbetrieb mit relativ viel Gas betrieben werden. Die Kolbenringe sind nun zwar bereits schon zum größten Teil perfekt auf die Zylinderwände eingeschliffen, der Vorgang ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Der Motor sollte immer wieder in den unteren Gängen mit 80-100% Gas im Drehzahlbereich 40-90% hochgedreht werden. Auf die Motorbremsphasen sollte nicht vergessen werden. Und, der Motor sollte noch nicht auf Nenndrehzahl hochgedreht werden.

Ölwechsel bei 250km

Wer es sehr genau nimmt, der sollte im Bereich um die 250km nochmals das Öl wechseln. Dieser Ölwechsel ist jedoch optional. Falls durchgeführt, weiterhin ein relativ billiges mineralisches Öl einfüllen. Es wird nach wie vor gehobelt.

Bis Kilometer 1000

Bis zum 1000er Service sollte der Motor weiterhin hart hergenommen werden. Nie auf sorgfältiges warmfahren verzichten! Bei warmem Motor den "Blumenpflückmodus" tunlichst meiden. Ausfahrten durch elends lange Ortsgebiete sind in dieser Phase nach wie vor nicht empfehlenswert. Und Achtung auf hinterherfahrende Fahrzeuge, die aufgrund der ständigen Tempowechsel leicht irritiert reagieren könnten. In dieser Phase würde sich ein Tag am Ring anbieten.

Nach dem 1000er Service

Im Grunde genommen ist der Motor jetzt schon fertig. Dennoch laufen nun noch einige Vorgänge ab, im Zuge welcher der Motor erst seinen endgültigen leichten Lauf bekommt. Dabei werden nach wie vor Metallflächen behobelt. Das Öl des 1000er Service sollte daher nach wie vor kein vollsynthetisches sein, sondern bestenfalls teilsynthetisch.

Der Motor kann nun eigentlich schon voll belastet werden, wenngleich Dauervollgasphasen noch gemieden werden sollten. Wiegleich auch Dauerstau im Bummeltempo dem Motor nicht zuträglich ist für seine endgültige Leistungsfähigkeit.

Vollsynthetisches Öl ab 3500km

Erst ab Kilometerstand 3500 ist der Einfahrvorgang im Motor völlig abgeschlossen. Ab diesem Moment ändert sich praktisch nichts mehr. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo auch ein vollsynthetisches Öl mit all seinen Gleitadditiven eingefüllt werden kann. Damit komplettiert man sein Paket eines leistungsfähigen Motors mit perfekt dichtenden Kolbenringen, und damit mit geringstmöglichem Ölverbrauch und höchstmöglicher Lebensdauer des Aggregats.

Problemzone Geschwindigkeit

Das beschriebene Einfahrverfahren erfordert immer wiederkehrende Tempowechsel und relativ hohe Fahrgeschwindigkeiten. Eine 1000er geht im 4. Gang mit 80% Nenndrehzahl locker 200 km/h schnell. Hier wären daher die Gänge 1 - 3 zu verwenden, doch auch die dritte geht mit 80% Nenndrehzahl um die 180 km/h, was deutlich über dem erlaubten Limit auf österreichischen Straßen liegt. Wo fährt man seinen Motor daher günstigerweise ein?

Eine Möglichkeit ist eine freie Autobahn. Sonntags um 6 Uhr früh sollte die Verkehrsdichte entsprechende Fahrten ermöglichen, natürlich nur auf deutschen Autobahnen Wink

Eine weitere Möglichkeit wäre auf einer abgeschlossenen Rennstrecke. Im Zuge des Vormittagstrainings in einer langsameren Gruppe lässt sich ein Motor eigentlich sehr gut einfahren. Die ständigen Beschleunigungs- und Abbremsmanöver auf einer Rennstrecke passen eigentlich ideal zu MotoMan's Einfahrmethode. Besonders in den Phasen 2 und 3 ist ein Rennstreckentraining das ideale Umfeld für sinnvolles einfahren.

Eine weitere Möglichkeit ist es, seinen Motor auf einem Leistungsprüfstand einzufahren. Hierbei ist auf ausreichende Kühlung des Motors zu achten. Etwas üppiger dimensionierte Gebläse sollten imstande sein, den thermischen Haushalt des Motors unter Kontrolle zu halten. Im Falle von drohender Überhitzung den Motor unbedingt 15-20 Minuten abstellen und ein wenig auskühlen lassen.

Wissen: Das Honmuster im Zylinder

Bei der Produktion wird die Innenseite eines Zylinders sehr genau mit einem Honwerkzeug geschliffen. Ein Kolben wird dabei sowohl nach vorne/hinten bewegt, als auch dabei gedreht. An den Zylinderwänden entsteht dabei ein sich schräg kreuzendes Honmuster. In den Rillen dieses Muster bleibt das Motoröl hängen und sorgt für die Schmierung des im Zylinder gleitenden Kolbens.

Dieses öltragende Honmuster sollte während der gesamten Lebensdauer des Motor aufrechterhalten bleiben! Befinden sich hier glattpolierte Stellen, dann kann hier auch kein Öl getragen werden, es kommt zu übermäßiger Erhitzung, und kann letztlich sogar zu einem Kolbenfresser führen. Die Zylinderwand wird poliert, wenn der Motor übervorsichtig mit sehr wenig Brennraumdruck eingefahren wird!

Erfahrungsberichte

In einem Forum berichtete ein GSX-R1000 Fahrer, dass sein nach dieser Methode eingefahrenes Motorrad um 9 PS mehr hatte, als ein nach Handburchvorschrift eingefahrenes Motorrad gleichen Produktionsmonats (!!). 9 PS ist nicht wenig! Die 9 PS sind zudem proportional über das gesamte Drehzahlband zu sehen, das heißt der gut eingefahrene Motor produziert ganz einfach mehr Drehmoment, durch optimale Abdichtung und perfekte Gleiteigenschaften der Kolbenringe im Zylinder.

Müssen Lager eingefahren werden?

Nein, Lager brauchen nicht eingefahren werden, diese laufen (vor allem heutzutage) kontaktfrei. Stets am Ölfilm dahin. Alte Weisheiten von den mikrosopischen Gebirgen auf den sogenannten glatten Metallflächen sind heutzutage hinfällig. Die Fertigungsmaschinen bauen Metallflächen mittlerweile mit sehr geringen Toleranzabweichungen, hier gibt es nichts mehr zu schleifen.

Und die Einfahrvorschriften der Hersteller?

Die Einfahrvorschriften der Hersteller wonach, die Drehzahl pro 100km um 100 U/min gesteigert werden darf oder so ähnlich, sind aus unerklärlichen Gründen quer durch die Bank großer Mist. Einfahren nach der MotoMan Methode macht außerdem viel mehr Spaß als: Bis 300km 4000 U/min, bis 500km 5000 U/min, bis 700km 6000 U/min, ...

Ungünstige Momente vermeiden

Ungünstige Momente beim Einfahren sind städtischer Stop & Go Verkehr mit roten Ampeln und 30 km/h Zonen, ewig lange 50km/h Ortsgebiete, Zweipersonenbetrieb steil aufwärts (gilt nur bedingt für großvolumige Motoren). Der Motor soll mit Druck zügig hochdrehen können, aber nicht zu zügig. Würgereien mit dem 6. Gang sollten vermieden werden. Wichtig ist der Einsatz der Motorbremse beim langsamerwerden, nicht auskuppeln und Motor auf Standgasdrehzahl bummeln lassen.

Neue Motoren im Werk

Nach dem Zusammenbauen bekommen Großserienmotoren im Werk üblicherweise einmal ein ganz festes Vollgas von 15 Sekunden. Hier wird geprüft, ob der Motor prinzipiell funktioniert. Dieses Vollgas startet auch gleichzeitig den Einfahrvorgang. Großserienmotoren werden NICHT am Prüfstand eingefahren, wie zeitweise angenommen wurde. Das würde viel zu viel Zeit und Sprit kosten... Wink

Wirklich teure Motoren hingegen werden mit einem Lastwechselprogramm, das vergleichbar ist mit MotoMans Methode, eingefahren und gemessen. Auch Formel I Motoren werden dieserart eingefahren. So, und nun gibts wohl wieder mal viel Glauben vs. Wissen zu bewerten? Wink


(14.3.2003, 20:40)

 
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