Fahrtechnik: Optimale Einstellung der Armaturen
Fahrtechnik: So fährt man Motorrad.
30.03.2005, 09:00

Viele Motorradfahrer wissen gar nicht, wieviel Kontrolle sie über ihr Gerät verschenken, wenn die Hebel, Druckpunkte und Drehspiele nicht akkurat eingestellt sind. KoflAIRs ultimative Einstell- und Bedienungstips samt Übungshinweisen für jeden Motorradfahrer.

Jedes Motorrad mit Getriebe hat zumindest 5 Bedienungselemente, die notwendig sind, um das Fahrzeugs kontrolliert zu bewegen.
  • Gasgriff
  • Vorderbremse
  • Kupplung
  • Ganghebel
  • Hinterbremse

Drei von diesen Elementen liegen stets in des Fahrers Händen, zwei von ihnen liegen ihm zu Füßen. Er sollte diese Hebeleien beherrschen, jeden einzelnen von ihnen fühlen, und alle mitsammen in Kombination akkurat bedienen können, um sich sicher durch den Verkehr zu bewegen.

Das Essentielle an der Sache ist es nun, die Bedienelemente so einzustellen, dass sie möglichst verlustfrei bedient werden können.

Gas

Das Gas sollte auf spielfrei eingestellt werden. Die meisten Motorräder (oder sogar alle?) werden mit einem zum Teil beträchtlichen Spiel am Gasgriff ausgeliefert. Man kann den Griff im Standgas locker mal einen halben cm weit drehen, ohne dass sich die Motordrehzahl ändert. Das sorgt beim Ampelstart für Unsicherheit oder unnötig hohe Drehzahlen, und das sorgt auch für ruckelnde Schaltmanöver.

Richtig ist daher, das Spiel des Gasgriffs auf Null zu stellen. Die kleinste Drehung des Gasgriffs muss bereits einen Drehzahlanstieg des Motors bewirken. Dadurch hat der Fahrer sein Gas stets im Schlaf unter Kontrolle und kann sich sicher sein, dass Drehung ausnahmslos eine lineare Zunahme der Drehzahl bzw. Schubkraft bedeutet.

Durch die Konstruktion des Gasseils als Umlaufseil besitzt praktisch jedes Motorrad die Möglichkeit, das Gasspiel im Bereich des Gasgriffs per Drehschrauben mit Kontermutter einzustellen. Gummimanschette zurückrollen, Kontermutter öffnen (entweder per Handrad oder mit 10er Schlüssel), Spiel auf Null einstellen, wieder sorgfältig kontern, fertig.

Kupplung

Insbesondere bei Stadtfahrten ist der Kupplungsgriff das Beam-Interface. Akkurateste und reaktionsschnelle Bedienung ist stets gefragt. Im Kolonnenverkehr will man sich unvermittelt zwischen zwei Autos hindurchdrücken, an der Ampel möcht man einen wahren Katapultstart hinlegen, im dynamischen Verkehr will man ständig schussbereit sein, um bei Bedarf ein zwei Gänge runterzuschalten um einen Zwischenspurt für eine verbesserte Ausgangssituation hinzulegen.

Das erfordert einerseits kürzesten Bedienungsweg, und andererseits ständige Präsenz auf der Kupplung. Der Druckpunkt muss daher sehr weit nach außen am Hebel eingestellt werden. Und die Kupplung sollte hinkünftig mit zwei Fingern bedient werden. Und diese zwei Kupplungsfinger sollten eigentlich stets auf dem Kupplungshebel ruhen, gleich wie die beiden Bremsfinger stets am Vorderbremshebel ruhen sollten.

Die Zweifinger Kupplungsmethode gepaart mit einem weit außen liegenden Druckpunkt hat viele Vorteile. Man hält seinen Lenker stets mit beiden Händen fest (mit den verbleibenden zwei Fingern nämlich). Auch in kritischen Situationen, wenn stark gelenkt und geschalten oder einfach nur ausgekuppelt werden muss, gibts keine Koordinationsprobleme mehr. Es gibt die fix abgestellten Kupplungsfinger, die restliche Hand kümmert sich um den Kraftschluss mit dem Lenker und damit mit dem Motorrad.

An der Ampel reicht ein relativ minimaler Kupplungszug (50% schleifende Kupplung reicht), Gang einlegen, parallel dazu ans Gas, die Motordrehzahl steigt unverzögert rapide an, und das Motorrad hüpft geradezu von der Haltelinie weg.

In der Kolonne beim Ultralangsamfahren bringen die zwei Kupplungsfinger ebenfalls Riesenvorteile. Hier muss die Kupplung in der Praxis relativ oft geschliffen werden, um dem Motor ein wenig Drehzahl und damit Rundlauf und Kraft zu geben. Gleichzeitig sind aber zum Teil massive Lenkeinschläge notwendig, um bei mehrspurigen Staus zB die Spurgasse zu wechseln.

Mit der genannten Technik hat man abermals sowohl die Kupplung, als auch den Lenker und damit das Motorrad, voll unter Kontrolle. In diesem Zusammenhang auch die Tips zur Hinterradbremse lesen!

Zweifingerbedienung und ein weit innen liegender Druckpunkt der Kupplung schließen sich gegenseitig aus, weil damit ein vollständiges Auskuppeln nicht mehr möglich ist. Wer also mit zwei Fingern kuppeln will, muss sich den Druckpunkt so oder so ganz nach vorn stellen.

Vorderbremse

Von der Armatureneinstellung her ist bei der Vorderbremse wie auch beim Kupplungshebel darauf zu achten, dass der Handrücken mit dem Unterarm eine gerade Linie bildet, wenn die Hand am Griff und am Hebel zu liegen kommt. Der Hebel soll also in einer Flucht mit dem Griff liegen, sodass man seine Hand nicht nach oben oder unten knicken muss, um den Griff zu betätigen. Das würde zu unnötiger und vorzeitiger Ermüdung führen.

Um eine ungünstig justierte Brems- und Kupplungsarmatur korrekt auszurichten, muss meist eine Klemme der Lenkarmatur per Schraubenschlüssel leicht geöffnet werden. Dann lässt sich die gesamte Hebelei verdrehen. Am Motorrad sitzend, stellt sich der Fahrer den Winkel korrekt ein. Klemme wieder korrekt zudrehen - fertig.

Bei der Vorderbremse gibts ansonsten eigentlich nicht viel einzustellen. Sie muss einfach wie vorgesehen funktionieren und sollte mit zwei Fingern eine superbe Vollbremsung ermöglichen. Dabei darf der Hebel nicht so weit gezogen werden müssen, dass die restlichen zwei Finger eingeklemmt werden.

Wenn das nicht wie erwartet funktioniert, dann sollte das Bremssystem kontrolliert werden. Die Bremsflüssigkeit checken, das Bremssystem entlüften, oder als Radikalmaßnahme auch die möglicherweise schon mehrere Jahre alten Gummibremsschläuche gegen Stahlflexschläuche tauschen. Wenn die notwendige Hebelkraft hoch ist, um ordentliche Verzögerungen zu erreichen, dann sollte man sich überlegen, mal Sintermetall Bremsbeläge (Lucas, Brembo, ...) einzubaun. Die bremsen meist viel besser, bei viel weniger Handkraft.

Ganghebel

Bei den meisten Motorrädern kann der Ganghebel in seiner Neigung eingestellt werden. Vielleicht stellt sich im Zuge einer einfachen Try and Error Sequenz heraus, dass man mit einer geringfügig geänderten Hebelstellung etwas direkter schalten kann? In wenigen Fällen ist es notwendig, zugunsten erhöhter Schräglagenfreiheit den Ganghebel nach oben zu stellen, aber das ist wieder eine andere Geschichte

Bezüglich der Bedienung seines Schalthebels sollte man sich bewusst werden, wieviel Weg man am Hebel zurücklegen muss, um einen Gang einzulegen. Bei sehr schnellen Schaltmanövern neigt man zu flüchtiger Bedienung und der Gang rastet nicht ein. Gibt meist ein sehr komisches Bild für Außenstehende ab, wenn der Motorradfahrer beim misslungenen Gangwechsel mit aufheulendem Motor fast auf den Tank vorknallt... evilgrin

Fussbremshebel

Den Fussbremshebel kann man nur bei sehr wenigen Motorrädern verstellen. Wichtig ist daher einfach, dass man sich über dessen Anwesenheit sowie seinen Möglichkeiten bewusst ist. Er bremst das Hinterrad. Er ist imstande, gegen die Antriebskraft des Motors zu kämpfen und sich dabei günstig auf das Fahrverhalten des Motorrads auszuwirken.

:o Neugierig geworden?

Die Fussbremse wird von einigen Motorradfahrern überhaupt nicht benutzt. Dabei ermöglicht sie insbesondere im Langsamfahrbereich eine ungeahnte Manövrierbarkeit seines Motorrads. Wer in der Tiefgarage mit schleifender Kupplung und Vorderradbremse Trialübungen machen muss, weiss ein Liedl zu singen von unkontrollierbarer Mühsamkeit, wenn bei vollem Lenkeinschlag vorsichtig bremsend plötzlich das Vorderrad abtaucht und das ganze Gerät nach innen zu kippen beginnt. Schweißperlen sind dann angesagt. Mit der Hinterbremse ist das anders.

Wenn die Hinterradbremse wirkt, dann wird das Motorrad langgestreckt. Das Hinterrad federt ein wenig ein. An der Front ändert sich so gut wie nichts. Es kommt insbesondere nicht zum gefürchteten plötzlichen Abkippen und dem drohenden Umfaller.

Im Stau wird daher jener die volle Kontrolle bei voller Manövrierbarkeit behalten, der sein Hinterrad unter Kontrolle hat. Zwischen Motor plus Kupplung und Hinterradbremse "eingeklemmt", dreht sich das Rad genauso schnell wie es der Fahrer gerade benötigt. Atemberaubende Trialsektionen werden zwischen den Autos zur spielerischen Leichtigkeit... Cool

Ach ja und dann besteht auch noch die Möglichkeit, Wheelies mit der Hinterbremse in Zaum zu halten. Wenn das Vorderrad steigt, kann dosiertes antippen der Fussbremse diesen Zustand stabilisieren oder auch abbrechen, ohne dass die Gasgriffstellung geändert werden muss. Aber das ist dann wieder ein eigenes Kapitel... Wink

Fazit

  • Die meisten Motorräder sind serienmäßig von den Hebeleien her total mies eingestellt
  • Miese Einstellung bedeutet geringe Kontrolle seines Fahrzeugs
  • Viele Motorradfahrer bedienen die Hebeleien ihres Fahrzeugs nicht adäquat
  • Korrekte Einstellung und bewusste Bedienung aller Elemente bedeutet:
    Full Control Cool

Ein letzter Tip

Übung macht den Meister.
Wer sich die korrekte Bedienung immer wieder bewusst macht, und diese auch anwendet, zum Teil auch durch unnötige, aber in jedem Fall Spaß machende Manöver wie zB zahlreichere Gangwechsel als notwendig, oder bewusst geübte Spurwechsel in freier Wildbahn, wiegleich gezielte Langsamfahrübungen auf sicherem Terrain, der brennt sich das neu gelernte in sein Hirn ein, Stichwort Synapsenbildung.

Das Wissen wird ihm im Falle des Falles dann automatisch zur Verfügung stehen, es ist dann nämlich in seinen Reflexen eingebaut. Cool

Daher: Übung übt!





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