Auf die äußere Fussraste drücken?
Fahrtechnik: So fährt man Motorrad.
10.11.2005, 22:00

Immer wieder wenn ich auf das Thema "In der Kurve musst du die äußere Fussraste belasten" stoße, schüttle ich ungläubig mein Kopferl. Dann kommen da gerne noch Kommentare wie "wennst innen draufsteigst, dann drückst dir dein Mopperl unter den Füßen weg, und du liegst da". Und solche Kommentare kommen nicht selten von an sich belesenen und sehr geübten Fahrern. Hier die ganze Wahrheit zu diesem Thema.

Die Grundaussage lautet also, dass man in harter Kurvenfahrt die kruvenäußere Fussraste zu belasten hat, weil das zahlreiche positive Wirkungen auf die Kurvenfahrt hätte, und es sogar zu einem verstärkten Gripaufbau käme, wegen der Hebelwirkung oder weiß ich was nicht noch aller.

Ich hab auch schon Diskussionen um diese Thematik geführt, mit hochkompetenten Leuten und Lesern, und ich war eigentlich schon fast selber von diesen Theorien überzeugt. Aber irgendwann ist es mir dann wie Schuppen von den Augen gefallen, dass hier eigentlich lauter Nonsens verbreitet wird.

Korrekt ist, und diese These wird weiter unten durch eine empirische Übung bewiesen, dass wenn ein Motorradfahrer während der Fahrt sich nicht auf seinem Motorrad bewegt. Also wenn er ruhig sitzen bleibt. Und sich somit auf genau der gleichen Bahn wie sein Motorrad bewegt. Dann wirken dynamische Kräfte auf die gesamte Einheit Fahrer + Motorrad. Und definitiv keine zusätzlichen Kräfte auf das Motorrad alleine.

Hierbei ist es wurscht, wie sich der Fahrer am Motorrad befestigt. Egal also auf welche Raste er sich stellt, wie und ob er sich am Lenker festhält, solang er sich nicht bewegt oder seine Position gegenüber dem Motorrad nicht ändert, macht das keinen Unterschied. Es zählt einzig und allein die Gesamtheit aus Fahrer + Motorrad.

Daher ist es auch wurscht, wenn man mit der Enduro schräg am rutschigen Hang entlangfährt, dann soll man angeblich die äußere Raste belasten, weil dann wird das Rad gegen den Hang gedrückt und man hat Grip. Belastet man hingegen die innere Raste, dann rutscht das Zeugs sofort seitlich weg. Angeblich.

Meiner These nach ist dieses Beispiel also ein Vollblödsinn. Wegrutschen wird es nur, wenn der Fahrer am Motorrad seine Position so verändert, dass durch die neuen Schwerpunktverhältnisse das Motorrad noch weiter in Richtung Hang gelehnt werden muss, und damit eine Bereich des Reifens aufliegt, der weniger Grip bietet. *platsch*

Wenn der Fahrer bei seiner Belastungsänderung jedoch seine Position gegenüber dem Motorrad NICHT ändert (Vorsicht, das erfordert Kraft am Lenker und deutliche Körperspannung!), dann ändert sich gripmäßig oder fahrdynamisch genau gar nix. *fahrtgleichweiter*

Das einzige was ich gelten lasse ist, dass man in bestimmten Fahrsituationen auf bestimmte Punkte drücken soll, weil man damit am entspanntesten die richtige Körperposition einnehmen kann.

Klar also, dass man am besten in den Hangoff gehen kann, wenn man auf die kurvenäußere Fussraste drückt. Das kann jeder gleich jetzt auf seinem Sessel ausprobieren. Doch Achtung, in weiterer Folge wird die Fliehkraft fehlen, die einen am Sessel hält... *plumps*

Damit durch die Kurve hindurch der Körper schwerpunktgünstig auf der Innenseite des Motorrads bleibt und man nicht plötzlich entdeckt, dass man zwar mit Popsch innen, aber insgesamt eigentlich in Fahrtechnik Drücken unterwegs ist, nimmt man sich als Eselsbrücke den Rat mit, während der ganzen Kurvenfahrt auf die äußere Fussraste zu drücken. Dadurch lehnt man sein Motorrad automatisch weniger weit in die Kurve als seinen Körper, und wird gleich richtig schnell.

Wer richtig auf die äußere Raste drückt und dadurch seinen Körper in die Kurve runterkippt, der wird nur mit erheblichem Kraftaufwand am Lenker, seinen Körper noch auf der falschen Seite des Motorrads halten können.

Wer nun mit Vektoren und Kräften daherkommt, die auf die verschiedenen Teile wirken. Dem sei zur Überlegung mitgegeben, dass das Motorrad und der Fahrer auch in der Kurve, eine sich NICHT gegeneinander bewegende Einheit bilden.

Und damit wirken auch keine plötzlichen wundersamen Kräfte, welche die Räder einem Zauber gleich nach unten drücken, als wenn das Motorrad an einem Scharnier befestigt wäre, und eine Hebelei den Gummi nach unten drücken könnte und den Grip wundersam nach oben schraubt...

Auch motoGP Piloten hüpfen nicht nervös auf ihren Mopeds herum, und bei Renntrainings lernt man, sich smooth zu bewegen, um keine unerwünschten dynamischen Kräfteinputs ins System zu bringen, die dann zeitkonsumierende Gegenmanöver erfordern würden.

Was passiert, wenn man in der Kurve plötzlich auf den inneren Raster drückt? Wird das Motorrad gleich wegrutschen? Wenn ja, dann weißt warum? Weil der Fahrer nicht imstande ist, seine Körperposition gegenüber dem Motorrad aufrechtzuerhalten. Er müsste nun hohe Kraft auf die Lenkerenden und den Sitz ausüben, damit er mit dem Körper genau gleich bleibt wie soeben noch, als er komfortabel die kurvenäußere Fussraste belastete. Wenn er das schafft, dann wird er übrigens genau gleich weiterfahren...

Und hier kommen wir gleich zur praktischen empirischen Übung Very Happy

Sessel mal nach hinten wegschieben bitte. Umfasse mit den Händen in Lenkerbreite (50 cm) die Tischkante, und mache eine Art Kniebeuge mit dem rechten Bein. Das linke Bein soll den Boden nicht berühren. Setze das rechte Bein dazu genau in der Mitte unter deinem Körper auf den Fussboden und geh mittelmäßig ins Knie. Die Hände halten locker die Tischkante und brauchen praktisch keine Balancearbeit zu leisten.

Diese Position und Kraftaufwandsverteilung entspricht in etwa einer Rennstreckenfahrt durch eine Linkskurve. Der rechte Fuss belastet die Raste, der linke Fuss ist unbelastet, die Hände halten locker den Lenker. Stell dir ein Onboardvideo vor, wo grad massiv in die Linkskurve gefahrn wird.

Und nun wechseln wir virtuell auf die linke Raste.
Oberstes Gebot - unser Popsch + Körper darf sich dabei nicht bewegen! Du darfst dich ab jetzt ganz fest an der Tischkante festhalten, und das wird auch notwendig sein!

Die linke Fussraste befindet sich 50cm neben unserem rechten Fuss. Setze dorthin nun deinen linken Fuss. Hey, 50 cm sind ganz schön weit! Und nun verlagere das ganze Gewicht auf selbigen, und hebe den rechten Fuss hoch. Und das, ohne deinen Popsch + Oberkörper zu bewegen!! Kraftausgleich über den Lenker, also über die Tischkante! evilgrin

Whow, meine Arme zittern, wenn ich das mache. Embarassed

Der Rennfahrer, der dieserart seine kurveninnere linke Raste in der Linkskurve belastet, kommt damit genau gleich gut um die Kurve wie der, der die kurvenäußere Raste belastet. Denn er hat genau die gleiche Körperposition gegenüber seinem Motorrad! Auf das Gesamtsystem wirken genau die gleichen Kräfte, und er wird eine sichere Fahrt haben!

Allerdings wird er nach 3 Runden völlig fertig sein und eine ordentliche Pause benötigen

Möglicherweise hatte er auch ein wirklich saumieses Kurvenfeeling, weil er sein Vorderrad fast nicht mehr fühlte, er musste ja locker 25 Kilo Kraft auf die kurvenäußere Hand wirken lassen, um die korrekte Körperposition gegenüber seinem Motorrad aufrechtzuerhalten!

25 Kilo ist der Wert, den ich soeben selbst mit der Personenwaage gemessen habe! Spitzenpegel waren sogar 28 Kilo. Wer schon mal Hanteltraining gemacht hat, weiß, dass 28kg auf einer Hand ganz schön heftig zieht... Wink

Die wesentliche Aussage lautet daher: Wo man sein Motorrad belastet, wo man sich festhält, ist völlig egal in Bezug auf das Fahrverhalten des Motorrads. Was zählt, ist einzig und allein die Position des Körpers in Bezug auf das Motorrad.

Die gängigen Tips bieten nette und hilfreiche Eselsbrücken, durch welche man mit geringstmöglichem Kraftaufwand die richtige Körperposition über seinem Motorrad einnehmen kann.
Wer es nicht so macht wie diese Eselsbrücken es behaupten, der wird deshalb nicht notwendigerweise langsamer sein, aber er wird höchstwahrscheinlich schneller ermüden, oder andere Nachteile in Bezug auf Fahrfeeling haben und damit Potential vergeben.

Daher: Die gängigen dort-drücken-und-da-ziehen Tips sind wertvoll und korrekt, nur die Erklärung die viele dazu benutzen, ist nicht korrekt.

Wer diesen Text bis hierher gelesen hat und hin und wieder ambitioniert am Ring fährt, der wird nun auch nicht mehr versuchen, wie irr auf die äußere Raste zu drücken, sondern einfach seinen Körper mittels Drucks auf die äußere Raste, auf die Innenseite seines Motorrads zu schieben. Hier wird er komfortabel verharrend durch die Kurve gleiten und sich ein bissl ausrasten.

Eins noch. Das Wort "belasten" ist falsch. Man soll auf die Fussraste drücken. Es passiert dann was. Das soll man passieren lassen, denn das ist der eigentliche Sinn der Übung.

Was passiert? Na entweder man macht eine Kippbewegung mit dem Motorrad unter sich, oder man verschiebt seinen Körper.
Ergebnis: Die Position des Körpers in Bezug auf sein Motorrad hat sich geändert!
Weiters: Die geänderten Schwerpunktverhältnisse beeinflussen die anstehende Fahrsituation positiv.

Aufs Eingangsbeispiel bezogen: Der Endurist drückt auf die äußere Raste, er kippt damit sein Motorrad vom Hang weg, seinen Körper als Ausgleich zum Hang hin, ein Nullsummenspiel, fein. Die Reifen des Motorrads liegen nun (leicht übertrieben ausgedrückt) fast mittig mit breitem Profil am Hang auf. Das macht Grip und rutscht nicht weg, Ziel erreicht.

Das ist also die wahre Erklärung der Übung "auf die Talraste drücken" Wink

Der Ringfahrer drückte vorm Kurveneingang auf die äußere Raste. Was dann passierte war, dass sich sein Körper korrekt auf die Innenseite seines Motorrads verschoben hat. Passt, dort gehört der Körper auch hin, in der flotten Kurvenfahrt! Wink

Nicht mit den Händen am Lenker dagegenhalten, sondern es geschehen lassen!

Also.

Bei harter Kurvenfahrt lautet der korrekte Tip, auf die äußere Fussraste zu drücken.

Der Grund ist, weil man dann automatisch richtig obensitzt bzw in die richtige Position rutscht.

Der Grund ist jedoch nicht, weil dann die Kräfte so wirken, dass es die Reifen stärker auf die Straße drückt und man mehr Grip in der Kurve hat.

Punkt.



P.S.: Vielleicht ist der bessere Tip jener, sich der Position seines Oberkörpers ein bissl mehr bewusst zu sein, und diesen ein wenig expliziter zu positionieren.
In diesem Sinne ist der Tip, in der Kurve die kurvenäußere Hand ganz durchzustrecken, vielleicht wesentlich besser, als der Tip wo man mit dem Fuss hindrücken soll... Wink





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